Andacht am 05.04.2020

Palmarum 2020

Liebe Gemeinde,

Führen Ihre Spazierwege manchmal am Hospiz vorbei und lesen sie dann auch diese Schrift: „Irgendwann, irgendwie, irgendwo…“? Was wollten wir nicht irgendwann schon mal machen…irgendwie kam es nie dazu.

Es gibt versäumtes Leben, vertanen Chancen, die mich traurig zurücklassen. Deshalb brauchen wir solche Geschichten wie den Predigttext von diesem Sonntag Palmarum: Markus 14,3-9.

Wir hören von einer Frau, die den richtigen Moment erwischt hat, die Gelegenheit beim Schopf gepackt hat. Sie entscheidet selbst, was in diesem Moment das Richtige ist und tut es aus voller Überzeugung, aus ganzem Herzen. Sie übergießt Jesus mit dem weit und breit teuersten Parfum. Einen Silberling hat im Durchschnitt damals ein Tagelöhner verdient, wenn er überhaupt Arbeit hatte; 300 Silberlinge soll dieses Parfum wert sein.

Welcher Leichtsinn! Welche Verschwendung! Ja, es geht um ein verschwenderisches, aber berechnungsfreies Geschenk! Sie nimmt auch nicht ein paar Tropfen davon und hebt die anderen für morgen auf. Nein, schüttet gleich den ganzen Inhalt auf Jesu Kopf. Der Augenblick war da! Nicht morgen oder übermorgen, nein, heute! Heute ist genau richtig!

Schauen Sie das Bild an: „Wann, wenn nicht endlich jetzt?“ Wenn der richtige Augenblick einmal verstrichen ist, kann er nicht mehr gefasst werden, er ist für immer vorbei und kommt nicht zurück.

In der Bibel lesen wir, dass der richtige Moment dann ist, wenn uns Christus nahe ist. Wenn wir nahe bei ihm sind. Dann ist Verschwendung keine Verschwendung mehr, sondern die einzig angebrachte Reaktion. Die Frau tut, was sie tut, weil sie den richtigen Augenblick spürt! Sie spürt es aus ganzem Herzen. Das ist ihre Stärke.

Das kann unsere Stärke sein! Was muss sich JETZT ändern? Was kann nicht so bleiben in der Zeit nach den Beschränkungen? Unser altes Leben dann einfach so weitermachen, das kann es wohl nicht gewesen sein?! Nehmen wir die Verletzlichkeit unseres schönen Planeten mit in die neue Zeit? Und unser eigenes Gefühl, so verletzlich, gefährdet und angewiesen zu sein? Was werden wir hoffentlich anders denken, anders tun, wie werden wir hoffentlich anders miteinander umgehen? Ist nicht JETZT endlich der Zeitpunkt da, auf den wir so lange gewartet haben, von dem wir schon lange gesprochen haben, auf den wir gehofft haben? Hatten Sie nicht auch immer wieder das Gefühl: so voll unvernünftig an so vielen Stellen kann es einfach nicht weitergehen?! Spüren wir nicht jetzt, wir müssen und können Grundlegendes verändern?

Ein kleiner Virus hat unser gesellschaftliches Leben nahezu lahm gelegt. Ein Virus geht um die Welt und unsere Welt wird danach eine andere sein.

Jetzt aus ganzem Herzen dem nachspüren, was JETZT dran ist, wofür JETZT der richtige Augenblick ist, den wir jetzt beim Schopf packen müssen, da er sonst vorübergeht. Was muss denn noch passieren?!

Dieser rechte Moment ist in der Bibel so wichtig, dass es dafür ein eigenes Wort gibt: Kairos. Lassen wir ihn nicht vorüberziehen! Ergreifen wir ihn beim Schopf! Denken wir um! Handeln wir neu! Kehren wir um, wie es die Bibel nennt.

Am Palmsonntag vergegenwärtigen wir uns, dass Christus da ist, dass er in unsere Welt, die an so vielen Stellen so kaputt gemacht ist, einzieht. Jesus lässt gelten, was die Frau tut. Er versteht sie. Für ihn ist sie die einzige der Anwesenden, die verstanden hat, was JETZT ist. Damit wendet er sich nicht gegen die Armen, aber er ist auf dem Weg zu seinem Begräbnis. „Die Frau hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis“.

Die anderen Frauen am Ostersonntag werden zu spät kommen, da ist Jesus nicht mehr im Grab. Wo diese Frau vergessen wird, wird die Nachricht von Jesus verkürzt, heißt es.

Lassen wir uns HEUTE Mut machen, wie diese Frau JETZT den Kairos zu ergreifen! Wann, wenn nicht endlich jetzt?

Bleiben Sie behütet! Bleiben Sie unter Gottes Schutz und Segen!

Ihre Pfarrerin Antje Leschik

Antje Leschik
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