Brief zur Friedensdekade 2014 – Landesbischöfin I. Junkermann

                                                                                                  Magdeburg, 03. November 2014
Liebe Schwestern und Brüder,

die diesjährige Friedensdekade „Befreit zum Widerstehen“ beginnt mit dem zentralen
Eröffnungsgottesdienst am 09. November in Halle. Die Erinnerung an 25 Jahre friedliche Revolution
in unserem Land bewegt uns dabei dankbar. Wie ein Schatten liegen die aktuellen Konflikte und
militärischen Angriffe über der Dekade: Deutschland liefert Waffen in den Irak, Luftangriffe werden
gegen den Terror der IS in Irak und Syrien eingesetzt.

Die Verfolgung der Christinnen und Christen im Irak geht uns dabei besonders nah. Die Not der
Schwestern und Brüder bedrückt uns, weil wir aus der Überzeugung leben: Wenn ein Glied am Leib
Christi leidet, leiden alle Glieder (1. Korinther 12,26).
Christinnen und Christen sind im Irak seit den Anfängen der Kirche verwurzelt. Zu Beginn der 1990er
Jahre lebten mehr als 1,2 Millionen Christ/innen im Land, 2013 waren es nur noch 330.000. Nun
droht die völlige Vernichtung und Vertreibung von Christinnen und Christen.

Als Kirche müssen wir dabei offen bekennen, dass auch wir die prekäre Situation unserer
Glaubensgeschwister nach dem letzten Irak-Krieg nicht ernst genug genommen haben. Christine
Hoffmann, Generalsekretärin von Pax Christi, betonte in einem Zeitungsbericht Ende September,
dass die Christinnen und Christen im Irak schon 2009 um Hilfe gebeten hätten, weil sie Angst vor
einem Flächenbrand in der Region hatten. Damals hätte noch ohne Gewalt und Waffenlieferungen
agiert werden können.

Angesichts der unbeschreiblichen Gewalt der IS scheint jetzt der Ruf nach Waffen alternativlos. Auch
hier gilt es, als Christinnen und Christen widerständig zu sein. Als Kirche bleibt es unsere
gesellschaftliche Aufgabe, die Anwendung von Gewalt kritisch zu hinterfragen: Welche Strategie und
welche Ziele werden mit Waffenlieferungen und Militärschlägen im Irak verfolgt? Welches
friedenspolitische Konzept liegt zugrunde? Unter dem Leitbild vom „Gerechten Frieden“ muss die
Anwendung von Gewalt je neu geprüft werden, gilt der Vorrang des Zivilen, darf die Gewalt nur
zeitlich begrenzt im Rahmen eines zivilen Gesamtkonzeptes für den Frieden in der Region
vorkommen. Und hier fehlen für die aktuelle Situation im Irak Antworten. Wir stimmen Renke
Brahms, dem EKD-Friedensbeauftragten zu: Das Eintreten für Gewaltlosigkeit ist nicht naiv, es ist
vielmehr deutlicher Ausdruck der Friedensbotschaft Jesu Christi.

Die humanitäre Hilfe vor Ort, der Einsatz für die Flüchtlinge in Deutschland und das Gebet sind in der
derzeitigen Situation unsere ersten Aufgaben als Kirche in Deutschland, um den Menschen konkret
zu helfen. So hat es auch der Rat der EKD in seiner Stellungnahme im September formuliert.

Wir bitten Sie darum herzlich, diese Anliegen auch in Ihre Kirchengemeinde zu tragen.
Ein mögliches Fürbittengebet für die Friedensdekade, für Ihre Friedensgebete vor Ort oder für die
kommenden Sonntagsgottesdienste liegt diesem Brief bei.

Als EKD und EKM wissen wir uns auch an dieser Stelle in die ökumenische und interreligiöse
Gemeinschaft eingebunden, denn die Erfahrung lehrt uns: Wo Christinnen und Christen bedrängt
werden, steht auch die Freiheit anderer Religionen in Gefahr. Die aktuelle Situation im Irak bestätigt
dies. EKD und Deutsche Bischofskonferenz haben dabei in ihrem Bericht zur Religionsfreiheit 2013
betont: „ (…) im Glauben sind wir überzeugt, dass Gott alle Menschen mit einer unverdienbaren und
unantastbaren Würde ausgezeichnet hat. In ihr gründet das Recht eines jeden, die religiöse Wahrheit
zu suchen und zu bekennen. Wer den Menschen dieses Recht bestreitet stellt sich gegen Gott
selbst.“

In der Hoffnung, dass das gemeinsame weltweite Engagement für den Frieden am Ende stärker ist als
die Gewalt, grüßen Sie herzlich aus Magdeburg
Ihre

Ilse Junkermann, Landesbischöfin

Eva Hadem, Friedensbeauftragte Lothar-Kreyssig-Ökumenezentrum

Ralf Krieg

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